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Eine erlebnisreiche Zeitreise in das Hornau um 1873

Eine Zeitmaschine ist noch nicht erfunden. Doch es geht auch anders. Das bewies die Veranstaltung der Bürger für Hornau am 25. November 2012 im Vereinshaus. Dort präsentierte der Verein das neu erstellte Hornauer Straßenmodell, für das Pläne aus dem Jahr 1873 die Grundlage bildete. Zusätzlich gab es eine Fotoausstellung zum alten Hornau und zahlreiche Vorträge.

Straßenmodell 1873 mit Besuchern

Das Straßenmodell von 1873 bot viel Gelegenheit, sich über das alte und neue Hornau auszutauschen.

Das Modell lädt zu einer Reise in die Zeit vor 140 Jahren ein. Viele nahmen die Einladung an: bis auf den letzten Stuhl war der Saal besetzt. Und die Besucher bekamen viel geboten: Wer Augen und Ohren öffnete, der glaubte sich fast tatsächlich in frühere Zeiten versetzt.

Woher kommt eigentlich dieses Interesse für die sogenannten „guten alten Zeiten“? Diese Frage stellte Bürgermeister Thomas Horn in seinen Begrüßungsworten zur Eröffnung der Veranstaltung.

Straßenmodell 1873 mit Besuchern

„Woher kommt eigentlich dieses Interesse an den guten alten Zeiten?“, fragte Bürgermeister Thomas Horn. Und gab darauf eine einleuchtende Antwort.

Seine Antwort lautete: Wir sehnen uns in unseren hektischen Zeiten nach Entschleunigung. Denn wie schön ist es, im Urlaub mit einer 2-PS-Pferdekutsche zu fahren statt mit 200 PS über die Autobahn zu rasen. Doch wir möchten auch nicht auf die Errungenschaften unserer modernen Zeiten verzichten, so Thomas Horn. Denn wer möchte heute schon so leben wie die Menschen um 1873, ohne fließendes Wasser, Strom, Heizung und sozialer Absicherung? Das Resümee des Bürgermeisters in seiner Ansprache: jede Zeit hat ihre positiven Aspekte. Wir sollten das Gute von früher bewahren und als Kulturgut pflegen.

Genau diese Kulturpflege zählt zu den zentralen Zielen der Bürger für Hornau. Dieter Trippe, Vorstandsvorsitzender des Vereins, ging darauf in seiner Eröffnungsrede ein: Gestaltung des Ortskerns, Pflege des Ortsbildes und der Ortsgeschichte. Diese drei „O’s“ hätten den Ausschlag gegeben, das Modell in Angriff zu nehmen. Dieter Trippe bedankte sich bei allen, die zum Gelingen des historischen Straßenmodells beigetragen haben.

Straßen aus längst vergangener Zeit rekonstruieren, das ist keine einfache Aufgabe. Dieter Trippe beschrieb, welche Vorüberlegungen es hierfür gab. Der Verein entschied sich schließlich, das Hornauer Modell in die leichten Taunushänge einzubetten, in denen der Ortsteil liegt. Denn nur so zeige das Modell Wirkung.

Von der gelungenen Präsenz des Modells konnten sich die Besucher der Veranstaltung überzeugen. Das taten sie mit großem Interesse.
In immer neuen Grüppchen umringten sie das unter Plexiglas geschützte Modell. Das Wetter spielte auch im Saal mit, denn Sonnenschein setzte die Straßen, Häuser und Hänge stimmungsvoll und sehr plastisch in Szene. Angeregte Gespräche entsponnen sich unter Nachbarn, Schulkameraden sowie früheren und heutigen Bewohnern der Hornauer Straße. Wie sah es früher und wie sieht es heute aus? Viele Antworten darauf gaben das Modell und die Erlebnisse und Erfahrungen der Gesprächspartner.

Lageplan und Orientierungshilfe mit Signallichtern

Dank der Orientierungshilfen findet sich jeder schnell zurecht im Dorf.

Die persönliche Vermittlung ist sicher die beste und schönste. Doch nicht immer steht diese zur Verfügung. Deshalb bietet das Modell auch eine technisch umgesetzte Orientierunghilfe. Wer zum Beispiel die Gasthäuser, Brunnen oder Schulen im Dorf sucht, der drückt lediglich auf einen Knopf und schon leuchten die entsprechenden Gebäude und Örtlichkeiten auf.

Auf jede der 16 Stationen ging die Fotoausstellung ein, die Vereinsmitglieder zusammengestellt hatten. Ob Hofgut, Wegkapellen, Brunnenanlage, Backhaus oder Rathaus: Wer darüber mehr erfahren wollte, den informierten die jeweiligen Tafeln der Ausstellung in Bild und Text.

Fotoausstellung zum alten Hornau

Die Fotoausstellung informierte über die einzelnen Örtlichkeiten des Straßenmodells.

Geschichte und Geschichten machen das Leben im Dorf aus. Hierzu boten vier Vorträge informative und unterhaltsame Streiflichter. Wer aufmerksam zuhörte, dem erschlossenen sich inhaltliche Verbindungen zwischen den einzelnen Vorträgen. Damit ist der Anfang gemacht, um selbst zum Experten für Hornau zu werden.

Hans Grimm war der erste Vortragende und widmete sich dem Thema „Wohnen in Hornau“. In humorvollen Versen beschrieb Hans Grimm das Leben in der „Vordergass“. Diese Gasse bildete damals das Zentrum des Ortes mit pulsierendem Leben. Unaufhörlich kamen hier Fuhrwerke und Leute vorbei, die zum Feld hinaus unterwegs waren oder auf dem Heimweg.

Zimperlich durften die Vordergässler nicht sein. Denn es kostete einige Anstrengung, sich auf der ansteigenden, unbefestigten Gasse zu bewegen. Noch dazu gab es damals keine Kanalisation und die Abwässer flossen den Hang hinab direkt in den Liederbach. So war der Alltag und das Unterwegssein im alten Hornau lange Zeit sehr beschwerlich. Doch für die Vordergässler war das kein Problem. „Denn wer die Schwierigkeiten kennt, der war dagegen resistent.“

Stadtarchivar Dietrich Kleipa unternahm eine kleine Wanderung durch das alte Hornau. Was heute nur noch „Hornauer Straße“ heißt, hatte früher viele Straßennamen. Vom Neuen Weg, über die Alte Gasse, die Gartenstraße und die Bachgasse mit der Mühle ging es in die „Vordergass“, die damals offiziell „Lange Straße“ hieß. Insgesamt 82 Häuser hatte der Ort um 1873.

Vortrag Dietrich Kleipa zum Hornau von 1873

Stadtarchivar Dietrich Kleipa unternahm in seinem Vortrag eine Wanderung durch das Hornau um 1873 — mit vielen spannenden Einblicken.

Nicht nur die Straßennamen und die Anzahl der Häuser, sondern viele Fakten und Details sind uns von damals bekannt – wenn man sie nur herauszulesen weiß. Dazu hat Dietrich Kleipa das Gemeindeverzeichnis studiert, das seit 1866 feinsäuberlich geführt wurde, dem Jahr, als Hornau preußisch wurde. Wie viel Schweine, wie viel Pferde gab es damals im Dorf? All das geht aus dem Verzeichnis hervor.

Auch zu den Berufen der Hornauer wusste Dietrich Kleipa Genaues zu berichten. Hornau war damals landwirtschaftlich geprägt. 35 Landwirte unterschiedlicher Größe zählte der Ort. Die Landwirte wurden eingeteilt je nach dem Zugvieh, über das sie verfügten. Kleinbauern waren die Landwirte ohne Zugvieh. Insgesamt 20 Taglöhner verdingten sich im Ort.

Hornau war damals kein Schreinerort, wie dies die heutige „Stadt der Möbel“ Kelkheim vielleicht vermuten lässt. Das Dorf war vielmehr ein Mauererort. Bis zu 20 Mauer gab es hier zu dieser Zeit. Damals entstand der Frankfurter Hauptbahnhof und gab auch den hiesigen Maurern Beschäftigung. Sie liefen über den Sodener Berg und fuhren dann mit der Bahn zur Arbeit. Oder sie blieben am Werktag gleich in Frankfurt und bezogen dort Unterkunft.

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ – über viele Jahrhunderte auch in Hornau. Friedel Bender widmete sich dem Thema der Mühlen in Hornau und stellte in seinem Vortrag seine Forschungsarbeit zur Mühle in der Baubach vor. Eine Mühle am Braubach, so Friedel Bender, ist erstmals 1191 erwähnt. Die Mühle betrieben damals die Mönche und Nonnen des Klosters Retters, legt er dar. Später habe ein „Hanß Pleines“ eine Mühle an der Braubach gebaut. Über viele Jahre lang hat Friedel Bender nach Spuren einer Mühle am Braubach gesucht. Im Winter 2011 ist er schließlich fündig geworden und hat einen Mühlenort anhand einer Reihe von Indizien entdeckt.

Im letzten Vortrag der Veranstaltung widmete sich Christa Wittekind „Der Mode im 19. Jahrhundert in Hornau.“ Christa Wittekind hatte dazu einen ganzen Korb Kleidung zusammengepackt. Anhand der einzelnen Kleidungsstücke beschrieb sie, was damals die höheren Damen trugen und was die einfache Landfrau.

Die Dame der Gesellschaft trug damals die Mode, die europaweit angesagt war. So kleidete sie sich mit einem Reifrock, einer sogenannten „Krinoline“, die als Unterbau Holz- und Fischbereife hatte. Später kam dann der „Cul de Paris“ in Mode. Er hatte ein hinten aufsitzendes Polster und betonte das Hinterteil der Frau.

Vortrag Christa Wittekind zur Mode in Hornau im 19. Jahrhundert

Christa Wittekind präsentierte dem Publikum sehr anschaulich die Mode und Kleidung, die die Frauen im Hornau des 19. Jahrhunderts trugen.

Die Landfrau in Hornau kleidete sich sehr viel schlichter. Die Kleidungsstücke richteten sich kaum nach der Mode, sondern vielmehr nach funktionalen Eigenschaften. Über einem Miederrock trug sie zwei bis drei Unterröcke und dann den Überrock. In der kalten Jahreszeit sorgten die vielen Röcke dafür, dass die Frau im unbeheizten Zimmer nicht vollkommen auskühlte.

Im Stall und in der Scheuer trug die Landfrau ein Kopftuch als Schutz gegen den Schmutz. Haarewaschen war damals nämlich ohne fließendes Wasser eine aufwendige Angelegenheit. Das Wasser musste sie aus vom Brunnen herbeischleppen und die nassen Haare am Herdfeuer trocknen.

Das was heute wieder beliebt ist, bildete damals das wichtigste Kleidungsstück der Landfrau: der Überschlag. Dieses Dreieckstuch hatte mit Mode nichts zu tun, sondern schützte gegen Kälte und Feuchtigkeit.

Heute Mode, damals funktionales Kleidungsstück, heute Wellness-Wochenende auf dem Lande, damals beschwerliches Leben. Die Zeiten ändern sich. Doch damals wie heute schaffen sich die Menschen eine Lebenskultur. Die Veranstaltung rund um die Präsentation des Straßenmodells von 1873 vermittelte davon einen lebendigen Eindruck.

Nach diesen vielen unterhaltsamen Impressionen unternehmen die Besucher bestimmt bald wieder gerne eine Zeitreise — auch ganz ohne Zeitmaschine.

 

Ein Bilderbogen der Veranstaltung: Fotos Holger Piscator

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