Martin Pleines, ein wahrer Sohn seiner Heimat
Von Reinhold Reuss
Im Jahr 1965, einen Tag nach Vollendung seines 83. Lebensjahres, verstarb Martin Pleines, kurz MP, „Gipsmartin“ oder einfach „der Gipser“ genannt.
Martin Pleines war sein Leben lang ein leidenschaftlicher Motorradfahrer. Foto von Herbert Reuss aus den „Kelkheimer Nachrichten“ vom 03.05.1962.
Der gebürtige Hornauer hatte bereits im Jahr 1900 in Bad Homburg die Meisterwürde im Baugewerbe erworben. Aufgrund der regen Bautätigkeit, die in dieser Zeit in Frankfurt herrschte, hatten 70 bis 80 Prozent der jungen Hornauer Männer den Maurerberuf erlernt. Die Arbeitszeit auf dem Bau betrug damals 10 Stunden täglich.
Um rechtzeitig an ihren Baustellen zu sein, nahmen die Männer den ersten Zug um 6.40 Uhr ab
Bad Soden, am Abend kamen sie mit dem letzten Zug um 19.40 Uhr wieder in Bad Soden an. Den Weg von Hornau nach Bad Soden und umgekehrt legten die Maurer zu Fuß zurück. Die Stelle, an der sie abends wieder Hornauer Gebiet erreichten, war die „Borntreppe“ gegenüber dem ehemaligen Hornauer Rathaus. Heute steht dort der Bornbrunnen. Diese Informationen finden sich in einem Artikel über das Thema „Einweihung der Kleinbahn Höchst-Königstein in Hornau“, den Martin Pleines 1952 für den zwischen 1950 und 1959 jährlich erscheinenden „Main-Taunus-Kalender“ verfasst hat und der seinen Namen über Hornau hinaus regional bekannt machte.
Firmenlogo Martin Pleines & Junior, Hornau.
Martin Pleines war in der Baubranche ungefähr 50 Jahre als selbstständiger Bauunternehmer tätig und hat in diesen langen Jahren viele Häuser gebaut in Frankfurt, Bad Homburg, Kronberg und natürlich in Kelkheim. Hier führte die Firma Pleines 1951 u.a. auch den Innenverputz der neuen St. Martinskirche in Hornau aus. Dabei wurde Martin Pleines von seinem Verwandten Hans Weck, seinen Enkeln Martin Noll und Walter Elzenheimer, der bei seinem Großvater in die Lehre ging, und einem Hilfsarbeiter unterstützt.
In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs wurde bei einem Bombenangriff, der u.a. den Sendeanlagen auf dem Plateau des Großen Feldbergs galt, auch die „Geschwenner-Brick“ durch einen Jagdbomber-Volltreffer zerstört. Da diese Verbindung für die Landwirtschaft von großer Wichtigkeit war, erhielt Martin Pleines von der Stadtverwaltung den Auftrag, die Brücke schnellstens wieder in Stand zu setzen. Ich erinnere mich aus meiner Kindheit noch genau an einen Bombentrichter auf dem Fasanenkopf (Gräbenwald) auf Höhe des früheren Hofguts Adolfshöhe sowie an einen weiteren Bombentrichter oberhalb der Liederbachbrücke in der Nähe der Roten Mühle.
Es gelang ihm, viele Unterlagen aus der Familiengeschichte der Freiherren von Gagern zusammenzutragen, die ihren Wohnsitz in Hornau hatten und bekanntlich eine bedeutende Rolle in der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts gespielt haben. Ebenso am Herzen lag Martin Pleines die Erforschung der Entwicklung des Schreinerhandwerks in Kelkheim, die Aufschluss über den Weg Kelkheims zur „Möbelstadt“ gibt. Gerne erzählte er davon, wie es in seinem „Urt“ Hornau, der damals noch eine eigenständige Gemeinde war, Anfang des 20. Jahrhunderts aussah.
Martin Pleines hat auch den Entwurf zu dem Sgraffito an einer Wand des Hauses Gagernring 58 in der Nähe des Hornauer Bahnhofs angeregt, das im Jahr 1958 von dem Bad Homburger Bildhauer Otto Weber-Hartl ausgeführt wurde. Es soll Heinrich von Gagern, den ersten Präsidenten der Deutschen Nationalversammlung 1848 darstellen, der auf die Frankfurter Paulskirche hinweist. Im Hintergrund des Sgraffitos ist das Wappen der Familie von Gagern zu sehen, das allerdings seitenverkehrt dargestellt wurde.
Mein Vater, der in den 1960er Jahren für die „Frankfurter Neue Presse“ und die „Kelkheimer Nachrichten“ (heute „Taunuszeitung“) geschrieben hat, berichtete in einem Artikel anlässlich des
80. Geburtstages von Martin Pleines, dass dessen Wohnung mit den Jahren immer mehr einem kleinen Heimatmuseum glich, in dem er alten Hausrat, Bilder, Möbelstücke und vieles mehr gesammelt hatte. Sein großer Wunsch war es, die Einrichtung eines Heimatmuseums in der Alten St. Martinskirche zu erleben, aber leider blieb dieser Wunsch zu seinen Lebzeiten und auch später unerfüllt. Ein Heimatmuseum für Hornau gibt es bis heute nicht. Die von Martin Pleines mit so viel Liebe gesammelten Gegenstände gingen zum Teil an das Stadtarchiv Kelkheim, andere an seine Erben. Einiges, wie das Hornauer Hausbuch, in dem er jedes Haus in Hornau beschrieben hatte, ging leider verloren.
Das Foto aus dem Jahr 1898 zeigt die Familie Pleines („Des Bachhannese“) n der hinteren Reihe stehen (von links): Martin Pleines (geb. 3. Mai 1882), Josef Pleines, Priska Pleines, Fritz Pleines, Peter Pleines, Liese Pleines. In der ersten Reihe sitzen der Vater Melchior Pleines, die jüngste Tochter Anna und die Mutter Elise Pleines. Melchior Pleines ist ein Nachkomme von Hans Pleines (1609 bis 1709), dem Müller von Hornau.
Aufnahme aus dem Archiv des Vereins „Bürger für Hornau“ von Dieter Trippe.
Martin Pleines war Zeit seines Lebens ein humorvoller Mensch, was ihm über manche Enttäuschung hinweghalf, die auch ihm nicht erspart blieb. Er hatte bereits im Jahr 1947 seine Ehefrau verloren und lebte in seinen späten Jahren im Kreis seiner Kinder und Enkel. Der nach außen oft etwas raubeinig wirkende Mann hatte stets das Herz auf dem rechten Fleck und hat viel für seine Heimatgemeinde getan. So wurden zum Beispiel die Roten Maulbeerbäume in der Rotlintallee auf seine Initiative hin gepflanzt. Die Bäume, die heute an dieser Stelle stehen, sind allerdings nicht mehr die, deren Anpflanzung Martin Pleines angeregt hatte.
Wenig bekannt ist, dass Martin Pleines zu den sieben Gründern des Männer-Arbeitergesangvereins Mariengruß 1907 Hornau gehörte. Die Vereinsgründung fand im Saal der Gaststätte „Australia“ statt. Der heute nicht mehr bestehende Verein änderte im Lauf der Zeit mehrfach seinen Namen und hieß zuletzt Gemischter Chor Hornau, nachdem er sich vorher u.a. Volkschor Hornau genannt hatte.
Im Main-Taunus-Kalender 1953 findet sich ein schönes heimatverbundenes Gedicht von Martin Pleines mit dem Titel „Der Mannstein auf dem Staufen“, das Sie hier lesen können:
Der Mannstein auf dem Staufen
Von Martin Pleines
Der Riese auf dem Staufen droben
entführte von Burg Falkenstein
das Fräulein, um sich zu verloben
mit der Geliebten ganz allein.
Ein Ritter aber, der die Dame
von Herzen liebte, wie noch nie,
in seinem großen Liebesgrame
zum Herrgott heiß um Hilfe schrie.
Der Herrgott einen Engel sandte,
er brachte heim das Fräulein mit,
indes im wilden Widerstande
der Ritter mit dem Riesen stritt.
Doch mit dem Teufel war im Bunde
der Riese, und durch Zauberei'n
verwandelte in dieser Stunde
den Ritter er in einen Stein.
Um seine Rückkehr hat geflehet
das Fräulein und umsonst geharrt.
Der Ritter auf dem Staufen stehet
als Mannstein, ganz zu Stein erstarrt.
Quellenangaben:
Christa Wittekind (Mündliche Information)
Friedel Bender (Mündliche Information)
Dietrich Kleipa (Mündliche Information)
Herbert Reuss, „Kelkheimer Nachrichten“, 1962 und 1965
Main-Taunus-Kalender, Jhg. 1952
Main-Taunus-Kalender, Jhg. 1953
„Höchster Kreisblatt“ vom 30.04.2011
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