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Alois Steyer verstarb am 2. Oktober 2013.

Der Hornauer Maler Alois Steyer –
harmonisch sehen, harmonisch gestalten

„Male es noch mal“, sagte die Lehrerin. Denn sie konnte es einfach nicht fassen, dass der Dreikäsehoch Alois Steyer den Hasen im vorösterlichen Unterricht eigenhändig gemalt hatte. Mit dem Schwämmchen am Täfelchen wischte sie die Kreide ab. Doch diesmal blieb kein Zweifel, denn nun sah sie es mit eigenen Augen: Der Steppke malte den Hasen sogar noch schöner als den zuvor Weggewischten. Jetzt war die Lehrerin sogar regelrecht stolz auf ihren Schüler und zeigte die Kreidetafel mit Häschen bei ihren Kollegen herum.

Der Hornauer Maler Alois Steyer

Alois Steyer liebt das Romantische und hat idyllische Seiten Hornaus und Umgebung mit gekonntem Pinselstrich festgehalten, so auch die „Rote Mühle“.

Manchem legt der liebe Gott das Talent wohl in die Wiege. Anders lässt es sich wohl nicht erklären, dass Alois Steyer schon von Kindesbeinen an mit seinen zeichnerischen Künsten verblüffte. Alles Visuelle faszinierte ihn, so weit er zurückdenken kann. Und so reizte das Kind auch der mit einem Papageienmotiv bedruckte Vorhang im Elternhaus. So sehr, dass er mit der Schere zu Werke ging und damit sozusagen die Linien nachfuhr. Die darauf folgende elterliche Strafpredigt fiel wohl nicht allzu streng aus. Denn allem Schönen blieb Alois Steyer auch weiterhin treu verbunden.

In der Langestraße 157, heutige Hornauer Straße, kam Alois Steyer am 21. März 1925 zur Welt. Der Vater war Maurer und Nebenerwerbslandwirt mit zwei Kühen und einigen Schweinen im Stall. Die Landwirtschaft und die Hornauer Langestraße hinterließen ihre Wirkung auch im späteren malerischen Schaffen von Alois Steyer. Doch auf seinem beruflichen Weg beschäftigten ihn zunächst andere Motive.

Mit seinem Talent zu wuchern und im Beruf Fuß zu fassen, erwies sich für den Hornauer Bub zunächst als gar nicht so einfach. 1939 kam Steyer aus der Schule. Mitten in der Hitlerzeit, alles lief schon auf den Krieg zu. Lehrer Eisenbach hatte seinen Zögling für das Katasteramt vorgeschlagen. Denn Steyer konnte nicht nur gut zeichnen, sondern auch rechnen. Die erste Runde des Einstellungstests für die Ausbildung zum technischen Zeichner bestand Steyer in Höchst dann zwar auch. Doch zur zweiten Runde kam es nicht mehr. Denn das Arbeitsamt teilte ihm mit, dass die Stelle längst besetzt sei. Der wahre Grund für die Absage lag wohl eher in der Tatsache, dass Steyer nicht Mitglied in der Hitlerjugend war. Das stupide Marschieren interessierte ihn einfach nicht.

Doch Hornauer Kontakte halfen aus der Klemme. Über Martin Schmitt, der damals selbst dort beschäftigt war, trat Steyer im Juni 1939 als Lehrbub in das Malergeschäft Gottschalk in Frankfurt-Höchst ein. Eine in vieler Hinsicht glückliche Wendung. Denn in der Storchgasse brillierte Steyer mit seinem Können fast schon von den ersten Ausbildungstagen an als Maler und Lackierer. Hier konnte er sein zeichnerisches und malerisches Talent vielfältig einbringen.

Filmplakat 'Eine Frau für drei Tage'

Auch das Malen von Werbeplakaten gehörte zu den beruflichen Aufgaben von Alois Steyer. So hat er beispielsweise das Plakat für den Film „Eine Frau für drei Tage” gemalt und präsentiert es hier auf der Fotografie.

Halle am Frankfurter Flughafen für die 'Super Constellation'

Jede Menge zu tun hatte der Hornauer bei dieser Halle am Frankfurter Flughafen. Die Größe des Gebäudes ist am Motorrad ersichtlich, das Alois Steyer neben dem Eingangstor geparkt hat.

Lief ein neuer Film mit Heinz Rühmann, Marlene Dietrich oder Hannelore Schroth und Carl Raddatz im Kino an, dann setzte der Hornauer die Pinsel in Bewegung. Schließlich mussten hierfür Werbeplakate gemalt werden. Ein großes Beschäftigungsfeld bot dem Hornauer dann auch der Frankfurter Flughafen. Verschwindend kleine Vorlagen setzte Steyer in riesige Beschriftungen an Flugzeugen, Gebäuden und in Form von Werbeplakaten um. Große Dimensionen nahm das malerische und dekorative Schaffen auch auf vielen Firmenfassaden in Frankfurt-Höchst und Umgebung an. Somit verlieh Steyer in dieser Zeit sozusagen der ganzen Region seine Handschrift.

Modern, zeitgemäß, anwendungsbezogen: Diese Attribute charakterisieren das Betätigungsfeld von Alois Steyer in diesen Jahren. Daran fand er großes Gefallen, denn es war ungemein abwechslungsreich. Doch seine größere Liebe gilt doch von jeher allem Romantischen – gewiss eine Vorliebe, die nicht zuletzt auch in Hornau ihren Ursprung hat.

1975 bot sich die Gelegenheit, auch beruflich dem Heimatort wieder näher zu kommen. Steyer ergriff sie und trat als Maler und Lackierer in das Team des Kelkheimer Bauhofes ein. Wie schon bei Gottschalk in Höchst schöpfte hier Steyer aus dem Vollen seines gestalterischen Vermögens. Mit oftmals nostalgischem Einschlag. So gestaltete Steyer beispielsweise im ganzen Ort Wirtshausschilder, so auch für das Hornauer Gasthaus „Schäfer Jakob“, nur ein paar Schritte von seinem Elternhaus entfernt.

Ein riesiges Betätigungsfeld, doch anders als am Frankfurter Flughafen, eröffnete der Kelkheimer Rettershof. 1980 erwarb die Stadt Kelkheim Hofgut und Schloss. Hier warteten eine Vielzahl an Renovierungsarbeiten auf Alois Steyer.

Ob Fassade, Wohnhaus und Reiterhof des vormaligen mittelalterlichen Klosters Retters oder der Landgasthof: Steyer erneuerte die Fassadenmotive und machte die Wandsprüche wieder gut lesbar. Er verlieh den Schildern, Dachreitern und verstaubten Hirschgeweihen erneut eine frische Ausstrahlung. Auf diese Gestaltungen können auch spätere Generationen noch aufbauen. Zeichnung und malerische Ausgestaltung sind gekonnt, so dass hier niemand bei späteren Renovierungen fehlerhafte Umsetzungen korrigieren muss.

Nicht nur beruflich war Steyer in Stadt und Region äußerst aktiv. Auch die Hornauer Vereine unterstütze er nach Kräften. In langen Abendstunden malte er Kulissen für Feste, schuf Pappfiguren für Karnevalswagen und hauchte Jubiläumsschriften mit dekorativen Motiven festlichen Glanz ein.

Auch für die Bürger für Hornau zückte Steyer zuletzt Stifte und Pinsel. Der Verein plant den Platz an der alten Gemeindewaage neu zu gestalten, der an der Gabelung der Hornauer Straße und Ofterdingenstraße liegt. Doch wie sah der Platz eigentlich früher aus? Fotos zeigen den vormaligen Zustand nur unvollständig. Hier war wieder Alois Steyer mit seinem fotografischen Gedächtnis und großen visuellen Talent gefragt. Wer nun wissen möchte, wie der Ort vor etwa 50 Jahren aussah, braucht jetzt nur eine Blick auf Steyers Zeichnung zu werfen.

Galerie-Überblick der Werke von Alois Steyer

Die Zusammenstellung kleinformatiger Gemälde im Arbeitszimmer vermittelt einen guten Eindruck von den Themen und dem Stil des Malers.

Der interessierte und kunstsinnige Zeitgenosse erlebt dank Alois Steyer viele weitere Orte im Dorf so, wie sie vor vielen Jahrzehnten einmal waren. Ob Lännerbrücke, Giddi, Langestraße oder Rote Mühle, der Hornauer Maler hat sie alle kunstvoll auf die Leinwand gebracht. Bei seiner malerischen Umsetzung stützt sich Steyer teilweise auf alte Fotos, doch zumeist noch mehr auf seine Erinnerung. Er legt Wert darauf, dass seine Malerei den Ort so wiedergibt, wie es der Realität entspricht oder entsprach. Doch es kommt ihm in seinem Schaffen nicht auf jedes kleinste Detail an, sondern der Gesamteindruck muss stimmen.

Ein stimmiger Gesamteindruck – in dieser Formulierung steckt ein Wort, das für Steyers Gemälde zentral ist: die Stimmung. Der Hornauer bewundert die Malerei von Carl Spitzweg und Ludwig Richter. Doch Steyer hat seinen eigenen naturalistischen Stil gefunden. Die Werke eröffnen romantische, stille Szenerien, die sich in zarter Farbigkeit präsentieren. Ruhig bevölkern Dorfbewohner die idyllischen Motive. Bauern sind mit ihrem Kuhgespann unterwegs, Hühner picken vor sich hin. Hier ist die Welt noch in Ordnung und hier darf das Leben weiter friedlich seinen Lauf nehmen.

In diesen dörflichen Kosmos taucht ein, wer das Wohnhaus der Familie Steyer in der Theresenstraße betritt. Denn die zahlreichen Bilder an den Wänden im Erdgeschoss widmen sich ganz dem alten Hornau. Im oberen Stockwerk ergänzen südländische Motive die Themen des Malers. So schmücken dann auch Gemälde mit Eindrücken von Reisen nach Mallorca und Teneriffa das Arbeitszimmer von Steyer.

 

Gemälde vom Platz an der Hornauer Borntreppe

Nur einige Pinselstriche fehlen noch: Gemälde vom Platz an der Hornauer Borntreppe. Alois Steyer lässt den Ort wieder so erstehen, wie er vor vielen Jahren einmal war.

Alois Steyer malt auch heute noch mit ruhiger Hand und nutzt sein visuelles und gestalterisches Talent. Getreu dem Motto: Was einem in die Wiege gelegt wurde, dem bleibt man treu. Auch sein Erinnerungs­vermögen begleitet den Hornauer Maler weiterhin zuverlässig. Und so lässt er den Platz an der Borntreppe wieder neu er­stehen, mit alter Schule und den Häusern am Hang, die längst verschwun­den sind. Im malerischen Univer­sum von Alois Steyer geht nichts verloren, Ort und Zeit harmonieren ungestört miteinander.

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